Die Geschichte des Hauses der Kinderkirche

Die Väter des Evangelischen Landesverbands für Kirche mit Kindern in Württemberg e.V. waren mutige Leute. Im Jahr 1960 kauften sie mit wenig Geld im Säckel, aber einem Herzen voller Ideen für die Arbeit des Kindergottesdienstes, das »untere Schloss«, das »Schlössle«, wie es die Beilsteiner bis heute liebevoll nennen. Seine heutige Gestalt verdankt das »Haus der Kinderkirche« dem Kommerzienrat Vollmöller, der 1898 den gesamten Burgberg, darunter auch das untere Schloss, den ehemaligen Amtshof, erwarb und nach alten Vorlagen wieder aufbauen wollte. Wie die einfachen Landschlösser Niederschwabens, nur in ihren unteren Teilen aus Stein, in ihren oberen aber meist in malerischem Fachwerksbau ausgeführt, entstand in Treue zu alten Plänen das »untere Schloss« als Wohnhaus der Familie VolImöller neu.

Robert Vollmöller (1849-1911)

Das so genannte Schloss Beilstein ist mit dem Namen Robert Vollmöller eng verbunden. Er gab vor 100 Jahren den Anstoß, dieses Gebäude zu bauen. Er ließ das Schloss an der Stelle errichten, an der einst der ehemalige Amtshof stand.
Robert Vollmöller trat im Jahre 1898 in Erscheinung, als er für 100.000 Mark zuerst die Burg erwarb. Danach kaufte er Zug um Zug weiteres Gelände im Umkreis der Burg auf, das im Besitz von Beilsteiner Bürger war. Er wollte den ganzen Schlossberg besitzen, weil er den Wiederaufbau der Burg plante.

Robert Vollmöller konnte sich das alles leisten, weil er Fabrikbesitzer war. In Vaihingen auf den Fildern betrieb er seit 1881 eine Trikotwarenfabrik, die alsbald einen gewaltigen Aufschwung nahm. Im Laufe der Zeit kamen Filialbetriebe dazu, nämlich in Untertürkheim, in Plieningen und in Herrenberg. Im Jahre 1912 arbeiteten in der Robert Vollmöller AG 2.500 Arbeiter und Arbeiterinnen, dazu kam noch einiges kaufmännische Personal. 1.400 Trikotmaschinen waren in Gang, somit war die Firma Vollmöller damals die größte Trikotwarenfabrik, nicht nur Württembergs, sondern der Welt.

Als dieser große und bedeutende Fabrikherr konnte sich Robert Vollmöller eine kostspielige Liebhaberei leisten und als Bauherr auftreten. Mit dem Kauf der Beilsteiner Burg Langhans und dem geplanten Wiederaufbau der Burgruine wollte sich Robert Vollmöller einen Jugendtraum erfüllen. Geboren ist er nämlich im benachbarten Ilsfeld am 29. Oktober 1849. Als Schüler hatte er auf so manchen Wanderungen die Burgen des Unterlandes und besonders den Langhans kennengelernt.

Der Bau des Schlosses

1905 kaufte er den Amthof, um an dieser Stelle für sich eine Villa errichten zu lassen. Die Planung übertrug er dem Architekten Albert Benz aus Esslingen, der dafür das Schlösschen in Höpfigheim zum Vorbild nahm.
Sein Schloss, das 1906 – 1908 entstand, stattete Vollmöller mit alten Möbeln, Teppichen, Bildern und sonstigen Gegenständen aus. Ein von ihm sehr geschätzter Schmuck sind die vielen Wappen, die der Bau zeigt. In den Arkaden, mit denen die bergseitige Stützmauer im Hof verkleidet wurde, sind die Wappen der einstigen Besitzer von Beilstein zu sehen, im Rittersaal die Wappen der Beilsteiner Vögte. Weitere Wappen finden sich in den Glasfenstern. Insgesamt ist also hier so eine Art Gesamtkunstwerk geschaffen worden, bei dem das Äußere und das Innere eine Einheit bilden. Es ist ein historistisches Gebäude und stellt gewissermaßen gebaute Geschichte dar. Das Schloss diente der Familie Vollmöller als Landsitz bei ihren Aufenthalten in Beilstein. Es war sozusagen das „Wochenendhaus“ der Familie. Das Schloss konnte er nur wenige Jahre genießen, denn am 28. Oktober 1911 starb er in Stuttgart.

Das Schloss blieb im Besitz der Familie Vollmöller. Seine Tochter Elisabeth war mit Dr. Oskar Wittenstein verheiratet, der als Flieger am Ersten Weltkrieg teilnahm und in den letzten Monaten dieses Krieges fiel. Frau Wittenstein und ihre Schwester Martha Müller, Witwe eines Medizinprofessors in Tübingen, waren die Eigentümerinnen des Schlosses. Zuletzt wohnte dort nur noch Elisabeth Wittenstein, die am 6. Januar 1957 starb.

Der Landesverband als Mieter des Schlosses

Der einzige Sohn von Frau Wittenstein, Dr. Jürgen Wittenstein, lebte als Mediziner in den USA. Er hatte anfänglich vor, das Schloss zu vermieten. Der damalige Beilsteiner Pfarrer Werner Spellenberg (1909-1984, in Beilstein 1952-1965) erkannte die Situation und schrieb an alle möglichen kirchlichen Stellen, weil er der Meinung war, dass das Schloss doch für kirchliche oder karitative Zwecke genutzt werden sollte.

Er wies darauf hin, dass Dr. Wittenstein einen günstigen Mietpreis verlangte – 250 Mark im Jahr, möbliert. Doch vermerkte Pfarrer Spellenberg in seinen Schreiben, das Schloss sei „nicht geeignet für Jugendliche unter 18“, und zwar „der guten Möbel wegen“.
Von dem runden Dutzend kirchlicher Stellen, die Pfarrer Spellenberg angeschrieben hatte, zeigte nur das Hilfswerk Interesse, hielt aber das Schloss bei genauerer Prüfung nicht für seine Zwecke geeignet. Dann tauchte plötzlich der Evangelische Landesverband für Kirche mit Kindern in Württemberg e.V. auf. Inzwischen hatte der Landesverband, vertreten durch seinen Vorsitzenden, Prälat Kurt Pfeifle (1900-1974), und den damaligen Kinderkirchpfarrer Gustav Beck (1901-1986, Kinderkirchpfarrer 1951-1967) sich um das Hans bemüht, und man war rasch handelseins geworden.

Der Landesverband gab am 6. September 1957 bekannt: „Allen Helfern und Leitern im Kindergottesdienst eine frohe Mitteilung: Ab Oktober dieses Jahres werden wir ein eigenes Rüst- und Freizeitheim haben, dem wir den Namen gaben ,Hohenbeilstein – Haus der Kinderkirche’, zunächst zur Miete ab 1. Oktober 1957.“

Für die Umstellung des Schlosses auf ein Freizeitheim brauchte man natürlich Inventar. Dafür wurde ein Dankopfer der Kinderkirchen im Land erbeten, Richtwert je Helfer 5 bis 10 Mark – das war 1957 schon eine ansehnliche Menge Geld. Es kamen aber auf diese Weise 30 000 Mark zusammen, die fast ausreichten, um die nötigen Anschaffungen zu machen.

In der „Evangelischen Kinderkirche“ konnte man seinerzeit lesen: „Der Württ. evang. Landesverband für Kindergottesdienst hat das Schlößchen Hohenbeilstein im Bottwartal gemietet. Manchen mag diese Nachricht überraschen. In Wirklichkeit suchten wir schon lange nach einem Heim, das ein Mittelpunkt für unsere Helferbetreuung und Rüstarbeit sein konnte. Wir hoffen nun, das in Beilstein gefunden zu haben. Das Schlößchen liegt auf halber Bergeshöhe, umgeben von Obstgärten und Weinbergen, ist am Anfang dieses Jahrhunderts gebaut und geschmackvoll und praktisch eingerichtet. Man hat einen herrlichen Blick von dort über das schmucke Bottwartal und die umliegenden Bergeshöhen. Der Landesverband wird von jetzt an in der Regel seine Rüstzeiten dort abhalten. …

Unsre Helfer sollen sich hier wohlfühlen und äußerlich und innerlich das finden, was sie für ihren Dienst in den Gemeinden benötigen. Die Bibliothek des Landesverbandes und alle andern Lehrmittel, die für den Kindergottesdienst in Frage kommen, werden dort zur Verfügung stehen. Um das Heim und seine Einrichtung haben sich die Herren Beck und Schwinghammer besonders verdient gemacht …“

Die Einweihung des neuen Freizeitheimes fand einen Tag nach der Kindergottesdienst-Landeskonferenz statt. In der „Evangelischen Kinderkirche“ war lapidar zu lesen. „Die feierliche Einweihung des neuen Kindergottesdienstheimes „Hohenbeilstein“ ist am Montag, 14. Oktober 1957, nachm. ½ 3 Uhr in Beilstein.“  Daran schloss sich die erste Rüstzeit vom 14. bis 19. Oktober 1957 an, die – nicht wie geplant in Kirchberg an der Jagst, sondern nun – auf Hohenbeilstein stattfand.

Die „Evangelische Kinderkirche“ berichtete über die Einweihungsfeier in folgenden Worten: „Der Vermögensverwalter, Rechtsanwalt Dr. Wagner, übergab im Namen des Hausbesitzers, der Familie Wittenstein, die Schlüssel des Hauses dem Vorsitzenden des Landesverbands, Prälat Pfeifle. … Prälat Pfeifle gab der Freude Ausdruck, daß dem Verband ein schon lange gehegter Wunsch in Erfüllung ging, ein eigenes Heim zu haben, so dankbar er auch immer für die Gastfreundschaft der andern Heime war, in denen unsre Rüstzeiten abgehalten wurden. Aber wir können nicht immer nirgendwo zu Hause sein. Wir brauchen ein Heim, in dem wir zu Hause sind, wo die Helferschaft in der Gemeinschaft mit dem Herrn Christus und in der Gemeinschaft untereinander gestärkt wird. Darum haben unsre Helferkreise den Plan auch mit großer Freude und Zustimmung aufgenommen und einen großen finanziellen Beitrag dazu geleistet. Tiefer Dank gegen Gott und Menschen erfüllt unser Herz, und neben dem Dank die Bitte, daß dieses Haus eine Stätte ernster Arbeit, froher Gemeinschaft und stiller Gebete sein möge. …

Bei der Besichtigung des Hauses waren alle des Lobes voll über die schöne Lage und die praktische und gediegene Einrichtung des Hauses. Möge es nun unsern Helferkreisen zum Segen werden, denen man zurufen möchte: Kommt und sehet!“

Im Herbst 1958 kamen dann in Beilstein erste Verkaufsgerüchte auf. Es ging ja nicht nur um das Schloss, sondern auch um das Weingut und die Burg. Die Burg war freilich am wenigsten problematisch, denn es war von Anfang an klar, dass diese von der Stadt gekauft würde. Wegen des Schlosses trat Pfarrer Spellenberg wieder auf den Plan und führte einen Beschluss des Beilsteiner Kirchengemeinderats herbei, wonach der Oberkirchenrat gebeten wurde, den Landesverband beim Kauf des Hauses zu unterstützen.

Der Kauf des Schlosses

1959 kam dann wieder Bewegung in die Sache, das Weingut wurde an Karl Dippon von Beutelsbach verkauft. Das Schloss konnte jetzt vom Landesverband erworben werden. Bevor gekauft wurde, waren noch einige Überlegungen anzustellen, denn man musste doch einige notwendige Um- und Ausbauten vornehmen, insbesondere musste auch eine Zentralheizung eingerichtet werden. Um die Kaufentscheidung zu begründen, zählte man auf, was in der kurzen Zeit an Kursen, Rüstzeiten und Freizeiten im Haus der Kinderkirche stattgefunden hatte.
Die Liste war doch ganz ansehnlich: 1957 waren es neun Tagungen gewesen mit 225 Teilnehmern, 1958 schon 62 Tagungen mit 1689 Teilnehmern, 1959 – allerdings nur von Januar bis August – eine entsprechend hohe Zahl. Und damit, so sagte man damals, dürfte der Kauf begründet sein, weshalb am 29. Dezember 1959 der Kaufvertrag abgeschlossen wurde.

Die Kaufsumme belief sich auf 180.000 Mark. Die notwendigen Umbaumaßnahmen schätzte man damals auf 100.000 Mark, doch betrugen die tatsächlichen Kosten 120.000 Mark. Insgesamt musste man also ca. 300.000 Mark in die Hand nehmen. Wieder einmal ging an die Kinderkirchen im Land eine Spendenbitte. Dieses Mal galt sie den Eltern der Kinder, die die Kinderkirche besuchten. Auch diese Spendenbitte wurde erhört, und so konnte nach dem Umbau das Haus wieder mit einer Feierstunde am 9. Oktober 1961 eröffnet werden.
Mit der Wiedereröffnung des Hauses wurde auch eine offizielle Bezeichnung eingeführt.

Die „Evangelische Kinderkirche“ aus dem Jahre 1961 gibt darüber Auskunft. Der damalige Kinderkirchpfarrer Gustav Beck schrieb: „Freizeitheim Hohenbeilstein ‚Haus der Kinderkirche’. So lautet nach einem Beschluss des ‚Geschäftsführenden Vorstandes’ nunmehr die ‚genaue’ Bezeichnung unseres seitherigen Schulungs- und Lehrgangsheimes. Selbstverständlich werden im ‚Haus der Kinderkirche’ auch künftig Kurse und Rüstzeiten, Pfarrkonvente und Gemeindebibelwochen, Wochenendtagungen und dergleichen gehalten werden. Es soll aber auch dazu dienen, dass sich alte und junge Menschen nach anstrengender beruflicher Tätigkeit in ihrer Freizeit dort in der ‚Luft des Friedens und des Evangeliums’ entspannen können. …

Auch der ‚Burghof’ bietet bald ein — wie wir glauben — verbessertes Bild. Der Brunnen ist abgebrochen worden und wird von der Stadt Beilstein bei der Stadthalle neu aufgestellt werden.

Hinter der Heimleiterin, dem Kinderkirchpfarrer, und, wenn man an die heutigen  Bauschwierigkeiten denkt, auch hinter der Bauleitung liegen herbe Monate. In alle Versuchung, mutlos zu werden, kamen immer wieder Aufmunterungen. Einige seien angeführt:  Ein Kind schickte ohne Namen und Anschrift einen Umschlag mit ein paar Briefmarken. Mit ungelenker Handschrift stand auf dem Zettel geschrieben: ‚Für das Haus der Kinderkirche’. Oder: ‚… Habe am 5. 5. DM 150,- von der Kinderkirche an Sie eingezahlt. Es ist für Hohen-Beilstein. Da ich ins Krankenhaus mußte und operiert werde, habe ich das alles noch erledigt.’ …

Froh und dankbar stimmten die vielen hilfreichen Hände: Familie Dippon vom ‚Schlossgut’, die für die Umbaumonate kostenlos Räume zum Aufbewahren unserer Möbel zur Verfügung stellte; Beilsteiner Schüler und Frauen, Männer, die nach Feierabend noch zugriffen: Schutt abführten oder sonst werkten; der Beilsteiner Helferkreis, der Stunden ehrenamtlich fröhlich putzte, Stuttgarter Schüler und Studenten, die in Ferientagen tüchtig Hand anlegten und nicht zuletzt Frauen aus der Hülbener und Rohrer Kirchengemeinde, die ehrenamtlich halfen, das Haus wieder zu säubern. …

Nun hoffen wir, daß wir im Juli wieder normalen Betrieb haben werden, und daß es in absehbarer Zeit keinen Helferkreis mehr in Württemberg gibt, der nicht bei einer Rüstzeit oder einer Wochenendfreizeit in Beilstein gewesen sein wird. Freilich muß man bald planen und bestellen, denn es liegen schon bis April 1962 Anfragen vor.“
In der Folgezeit ist das Haus rege in Anspruch genommen worden und es haben viele Kurse und Tagungen, Freizeiten und Seminare stattgefunden.

Renovierung des „Hauses der Kinderkirche“

In den Jahren 1994/95 wurde das Haus gründlich modernisiert und in eine moderne Tagungs- und Fortbildungsstätte verwandelt.
Die Mehrbettzimmer wurden verkleinert, jedes Zimmer mit fließend Kalt- und Warmwasser ausgestattet, zusätzliche Etagenduschen wurden eingebaut. Neue Tagungs- und Aufenthaltsräume sind entstanden, sodass zukünftig auch zwei kleinere Seminargruppen gleichzeitig im Schloss wohnen und tagen können. Die durchgeführten Maßnahmen kosteten schließlich 2,4 Millionen. Dank vieler Spenden aus dem ganzen Land, der tatkräftigen Unterstützung von Kindergottesdienst-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern bei Baueinsätzen und der finanziellen Hilfe der Evangelischen Landeskirche in Württemberg konnte die Renovierung und Modernisierung des Hauses der Kinderkirche durchgeführt werden.

Dieser Beitrag geht zurück auf den Beitrag von Hermann Ehmer:„Vom Amthof zur Fabrikantenvilla und zum Haus der Kinderkirche”, in: Geschichtsblätter aus dem Bottwartal 9 (2004) S. 16-24.

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