Abraham – wurzeln und wachsen in Gottes Treue
ZUR GANZEN REIHE
I. Vorüberlegungen
Abraham gilt Juden und Christen als „Vater des Glaubens“.
1.Mose 1-11 erzählt von der Schöpfung über den Sündenfall und die Sintflut bis zum Turmbau zu Babel. Diese Urgeschichten zeigen, wie die Welt ist: wunderbar gemacht und doch auch von Menschen „verdorben“. In jeder der großartigen Erzählungen verspielen die Menschen die wunderbaren Chancen, die Gott und die Welt ihnen geben. Und jedes Mal muss Gott einschreiten, um Schlimmeres zu verhindern. Aber seine „Strafe“ geht nie bis zum Letzten: Gott hilft den Menschen, unter den Bedingungen der Welt weiter zu leben.
Zwei Beispiele:
– Adam und Eva übertreten Gottes Gebot und essen eine Frucht vom Baum der Erkenntnis. Gott weist die beiden aus dem Paradies. Aber er macht ihnen aus Blättern Kleider, gibt ihnen also einen Schutz gegen die Kälte und Härte der Welt außerhalb des Paradieses.
– Und dann erschlägt Kain aus Neid und Eifersucht seinen Bruder Abel. „Unstet und flüchtig“ muss er danach sein Leben fristen, darf nirgends mehr zuhause sein, muss die menschliche Gemeinschaft meiden. Aber Gott versieht ihn mit einem geheimnisvollen Zeichen, das ihn davor schützt, vom Nächstbesten gelyncht zu werden.
Dieser „versöhnliche“ Schluss fehlt nach der Turmbaugeschichte. Nachdem die Menschen in maßloser Selbstüberschätzung bis zum Himmel bauen wollen, schreitet Gott ein. Er wehrt dem „technokratischen Wahnsinn“, indem er die Sprache der Menschen verwirrt und sie sich nicht mehr verständigen können. Daraufhin zerstreut sich die Menschheit in alle Lande. So endet die Urgeschichte recht trostlos.
Und hier setzt die Abrahamgeschichte ein. Aus den vielen Völkern erwählt Gott nun einen Einzelnen. Mit Abraham beginnt er eine heilsame und zukunftsweisende Geschichte. Und dabei verengt sich Gottes Blick nicht etwa: Als wende Gott sich jetzt nur noch diesem Einen und seinen Nachkommen zu. Im Gegenteil: Von Anfang an ist die ganze Welt im Blick. „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“
Dem Judentum gilt Abraham als Stammvater des Gottesvolkes.
Was Abraham auch für uns Christen zum Vater des Glaubens macht, ist sein „Gehorsam“. Auf Gottes Auftrag und Verheißung reagiert er, indem er aus seiner Heimat in ein neues, unbekanntes Land aufbricht. „Und Abraham ging…“ heißt es schlicht. Abraham vertraut Gott ganz und gar. (Darauf bezieht sich Paulus im Römerbrief, Kapitel 4, ausführlich.)
Auch im Koran hat Abraham eine bedeutende Rolle. Er gilt als Erbauer der Kaaba in Mekka und über seinen Sohn Ismael als Ahnherr der Araber.
22. Mai 2016
Wo sind meine Wurzeln?
1.Mose 12,1-9
I. VORÜBERLEGUNGEN
1. Zugänge für den Vorbereitungskreis
Auf dem Tisch liegt ein großes Bild (oder nur eine Skizze) eines Baumes. „Wenn unser Leben ein Baum wäre, was wären dann unsere Wurzeln?“ Darüber können die Mitarbeitenden sich austauschen.
Oder aber man legt das Wort „Heimat“ auf den Tisch und überlegt miteinander: Was ist für mich Heimat? Was weckt heimatliche Gefühle? Wo fühle ich mich daheim?
2. Zum Text / zum Thema
„Einen alten Baum verpflanzt man nicht“, sagt ein Sprichwort. Als Gott den Abraham aus seiner Heimat wegruft, ist der allerdings schon 75 – ganz schön alt für einen Neuanfang.
Abraham ist verwurzelt in seiner Heimat: Drei „konzentrische Kreise“ werden genannt: Vom „Vaterland“ (der größten geografischen Einheit) über die „Verwandtschaft“ (oder „Sippe“) zum „Vaterhaus“ (der größeren Familie). Hier ist Abraham eingebunden, hier kennt er sich aus, hier kennt er die Leute und sie kennen ihn, hier versteht man sich (sprachlich und kulturell). Das ist Heimat.
Gott verheißt Abraham dreierlei:
– ein Land, eine neue Heimat. Darüber weiß Abraham allerdings nichts, er zieht ins Unbekannte. Von dem Land erfährt er nur, dass Gott es ihm zeigen wird.
– eine große Nachkommenschaft, ein ganzes Volk. Wir wissen allerdings aus 1.Mose 11,30 dass Abrahams Frau kinderlos ist.
– den Segen Gottes. Darin steckt: dass Gott Abrahams Familie begleitet und schützt auf dem weiten Weg, dass es ihnen gut gehen wird und dass sie zu Gott in einer guten Beziehung stehen. Der Segen Abrahams beschränkt sich allerdings nicht auf ihn und die Seinen. Er geht auf andere über, er zielt auf „alle Geschlechter auf Erden“. Im biblischen Zusammenhang heißt das: Der Segen, der auf dem Gottesvolk Israel liegt, gilt von Anfang an der ganzen Welt.
In wenigen Worten wird erzählt, dass Abraham gehorcht und mit seiner Frau und seinem Neffen Lot aufbricht. Vom weiten Wege erfahren wir nichts. Sie kommen im Land an. Sie durch-ziehen es, nehmen es in Augenschein und nehmen es gewissermaßen in Besitz. Und Gott bestätigt dort seine Verheißung: „Das ist Euer Land.“
Als Zeichen, dass sie auch innerlich ankommen, baut Abraham einen Altar.
3. Die Kinder und der Text / das Thema
Kindern zieht ein Umzug erst einmal den Boden unter den Füßen weg. Das Unbekannte und Ungewisse macht ihnen Angst. Sie brauchen Vertrautes und Festes. Dass ein Aufbruch zu neuen Ufern auch neue Chancen und Möglichkeiten bietet, können sie nicht sehen.
Nun gibt es aber im Leben von Kindern viele Neuanfänge, ihre Lebenskreise werden stetig weiter: Anfang im Kindergarten, Einschulung, erstmals bei Oma übernachten, einen Weg alleine gehen…
Kinder haben aber noch wenig Erfahrung damit, dass solche „Abenteuer“ sich lohnen, dass sie mit dem Neuen gut zurechtkommen. Abrahams Weg mit Gott soll ihnen Mut machen! Abraham verwurzelt sich in Gottes Treue.
29. Mai 2016
Wurzeln geben Halt und Haltung
1.Mose 13,1-12a.18
I. VORÜBERLEGUNGEN
1. Zugänge für den Vorbereitungskreis
„Streit gibt es in den besten Familien“, sagt ein Sprichwort. Aber gerade innerhalb der Familie ist Streit auch oft heftig und besonders unangenehm, weil man sich nahe ist. Und es gibt den heimlichen Anspruch, dass man sich doch verstehen müsste. Abraham sagt es zu Lot so: „Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder.“
Was halten Sie davon? Wie harmonisch kann oder muss eine Familie sein?
2. Zum Text / zum Thema
Abraham bringt es in der neuen Heimat zu Reichtum. Das Land ist offensichtlich ein gutes Land. Und am Wohlstand erkennt man auch – so sieht es das Alte Testament an vielen Stellen – den Segen Gottes.
Auch Abrahams Neffe Lot geht es sehr gut.
Aber nun kommt es zu Problemen. Es sind gar nicht Abraham und Lot selbst, die in Streit geraten, sondern ihre (angestellten) Hirten. Worum es dabei geht? Um die besten Weideplät-ze? Um die Stellen fürs Nachlager? Darum, dass sie sich ins Gehege kommen, wenn die eine Gruppe da durchziehen will, wo die anderen lagern? Ob Tiere gestohlen werden? Oder ob man sich abends darum zofft, wer zuerst die Tiere zum Tränken an die Wasserstelle führen darf? Es wird nicht konkret gesagt.
Abraham als der Ältere und als Sippenoberhaupt ergreift die Initiative und schlägt das Naheliegende vor: Sich aus dem Weg gehen, die „claims“ abstecken.
Und er kann es sich leisten, Lot wählen zu lassen. Offensichtlich von einem Hügel aus über-blickt Lot das Land und sucht sich das bessere Teil aus. Abraham akzeptiert großzügig die Wahl Lots.
(Erst später wird sich zeigen, dass diese Wahl nicht gut war, dass sich Lot „in die Höhle des Löwen“ begeben hat, buchstäblich nach „Sodom und Gomorrha“.)
3. Die Kinder und der Text / das Thema
– Auch kleine Kinder wissen: Manchmal ist der Platz zu knapp für zwei: an einem Spielgerät, auf einem Stuhl, in einem Raum. Wenn es zu eng wird, kann es Reibereien geben.
– Wenn Geschwister streiten, heißt es schnell: „Der Klügere gibt nach.“ Das verstehen zumin-dest ältere Kinder gut und sie stimmen oft auch zu, denn Nachgeben kann Streit verhindern. Die Kinder wissen aber auch: Es ist überhaupt nicht leicht, der „Klügere“ zu sein, weil man dann denkt, dass man im Nachteil ist.
5. Juni 2016
Wurzeln geben Wachstum
1.Mose 18,1-16 und 21,1-7
I. VORÜBERLEGUNGEN
1. Zugänge für den Vorbereitungskreis
In früheren Zeiten galten Kinder als Segen und Kinderlosigkeit als Makel. Heute werden Kinder bisweilen als Last und Armutsrisiko betrachtet. Und Paare können sich bewusst gegen Kinder entscheiden. Wieso hat sich das so extrem geändert? Ist die Veränderung eindeutig positiv oder negativ zu bewerten? Diskutieren Sie miteinander.
2. Zum Text / zum Thema
Der biblische Erzähler nimmt die Pointe vorweg und macht alles klar: Es ist Gott, der hier dem Abraham begegnet. Ich würde die Spannung bestehen lassen, wenn ich die Geschichte erzäh-le. Denn Abraham weiß ja eben nicht, wer die drei Männer sind, die ihn besuchen.
Er zeigt sich allerdings als vorbildlich gastfreundlich. Er tut deutlich mehr als das Gebotene: ein Platz im Schatten, Wasser für die Füße, statt Brot Kuchen, Kalbsbraten, Butter und Milch. Das ergibt ein üppiges Mahl.
Im Lauf des Essens bringen die Männer nun das Gespräch auf Sara, und damit ist das „Problem” angesprochen. Gott hat den beiden eine große Nachkommenschaft verheißen. Nun sind weitere Jahre vergangen und sie haben immer noch kein einziges Kind.
Einer der Männer erneuert Gottes Verheißung ganz konkret: Bis in einem Jahr wird den bei-den ein Sohn geboren.
Da muss Sara lachen. Durch die Zeltwand konnte sie mithören.
Sie sagt sich, dass ihre fruchtbaren Jahre längst vorüber sind (Menopause). Sie ist sich für die körperliche Liebe und das Kinderkriegen zu alt und fügt ironisch hinzu: „Auch mein Mann ist alt.“ Das ist wohl ein derber Witz.
Obwohl Sara die Worte nicht ausgesprochen hat und allenfalls sarkastisch gekichert hat, weiß der Besuch, dass sie dem Versprechen nicht traut. Sara versucht, sich herauszureden. Die Verheißung wird wiederholt, denn Gott kann alles, selbst einer alten Frau ein Kind schenken.
Am Anfang von Kapitel 21 wird dann von der Geburt des Sohnes erzählt. Gemäß dem göttlichen Gebot (1.Mose 17,10ff) wird Isaak kurz danach beschnitten.
„Gott hat mir ein Lachen geschenkt“, sagt Sara nun. Aber nun lacht sie anders als zuvor: erleichtert, erfreut, glücklich. Im Namen Isaak (hebr. „Jizechak“) klingt Lachen (hebr. „zachak“) an.
3. Die Kinder und der Text / das Thema
Nicht alle Wünsche gehen in Erfüllung, auch nicht die sehnlichsten. Vielleicht ist das Gefühl, nichts tun zu können, das „Schicksal“ nicht beeinflussen zu können, bei Kindern noch ausge-prägter. Sie sehen, dass Erwachsene manchmal Mittel und Wege haben oder finden, etwas ihn ihrem Sinne zu bewegen. Da erleben Kinder sich stärker als machtlos und ausgeliefert.
Das Vertrauen, in einem größeren sinnvollen Zusammenhang aufgehoben, in göttlicher Macht geborgen zu sein (Kohärenzgefühl) stärkt das Selbstvertrauen und die Widerstandskräfte.
12. Juni 2016
Wenn ich mich entwurzelt fühle…
1.Mose 22,1-19
I. VORÜBERLEGUNGEN
1. Zugänge für den Vorbereitungskreis
Martin Luther hat in einer Situation, in der er befürchten musste, dass seine Gegner ihn aus dem Weg schaffen würden, gedichtet: „Nehmen sie den Leib, Gut Ehr, Kind und Weib: lass fahren dahin, sie haben’s kein Gewinn, das Reich muss uns doch bleiben.“ Daraus klingt eine starke Ergebenheit und Gelassenheit: irdischer Besitz und irdische Beziehungen sind zweitrangig.
Wie wichtig ist mir Gott? Was würde ich für ihn geben? Wollte ich alles aufgeben und herge-ben? Gar die Familie? Die eigenen Kinder? Die Erzählung von der „Opferung Isaaks“ (auch wenn sie am Ende nicht vollzogen wird) ist eine Zumutung, oder?
2. Zum Text / zum Thema
Auch 1.Mose 22 stellt von Anfang an klar: Hier handelt es sich um eine Art Prüfung. Dies ist nicht Gottes Ernst!
Dennoch wird in dieser Geschichte meisterhaft (und dabei ganz unaufdringlich, ohne die Ge-fühle der Personen zu benennen) Spannung aufgebaut:
– Isaak wird ausdrücklich als der einzige und geliebte Sohn bezeichnet. Und den soll Abraham nun opfern. Dass das für den Erzähler grausam war, müssen wir zwischen den Zeilen lesen.
– V.3 schildert genau die Verrichtungen Abrahams bis zum Aufbruch.
– Dann bleiben die beiden Knechte unterwegs zurück. Abraham geht mit Isaak alleine weiter. Es wird immer enger!
– Nun muss der Junge das Brennholz für seine eigene Opferung noch selber tragen!
– „und gingen die beiden miteinander.“ Die Spannung wird unerträglich.
– Isaak fragt nun nach dem Opfertier. Will Abraham Isaak mit einer Lüge schonen oder steckt in der Antwort die heimliche Hoffnung: Gott wird schon einen Ausweg für mich finden?
– In V.9+10 wird die Handlung in viele einzelne Schritte gedehnt. Die Spannung verdichtet sich bis aufs Äußerste.
Bis endlich – wie im Film – in letzter Sekunde Gottes Engel Einspruch erhebt! Und tatsächlich: Ein Widder ist als Ersatzopfer bereit.
Abraham hat Gottesfurcht bewiesen, urteilt der biblische Erzähler. Ist es absoluter Gehorsam oder eher grenzenloses Vertrauen?
Abraham nennt zum Schluss den Berg „Morija“ („Jahwe sieht.“), weil Gott auf ihn bzw. seinen Sohn Acht gegeben hat.
Das Versprechen der großen Nachkommenschaft wird noch einmal bestätigt.
3. Die Kinder und der Text / das Thema
Meist habe ich keine Scheu, Kindern auch von den Gefahren und Abgründen des Lebens zu erzählen. In der Regel können sie mit Gewalt in Geschichten ganz gut umgehen.
Das besonders Gemeine ist: Hier ist ein Kind das „Opfer“. Hier gerät ein wehrloser Junge in Todesgefahr. Wir sollten also unsere Erzählungen sorgfältig vorbereiten und die Situation Isaaks zurückhaltend schildern, um den Kindern nicht unnötige Angst einzuimpfen.
Seit dieser Bibelgeschichte ist ohnehin klar: Kinder (Menschen überhaupt) werden nicht geopfert!